Über den antisemitischen Gehalt islamistischer Terroranschläge und dessen öffentliche Verleugnung
Kaum etwas bringt die Ideologie von Islamisten so auf den Punkt wie jener Satz, mit dem al-Qaida im März 2004 ihre mörderischen Anschläge von Madrid höchstselbst erklärte: »Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod.« »Ihr«, das ist in den Augen dieser besessenen Muslime der gottlose, verderbte Westen mit seinen selbstbewussten Frauen, seiner selbstbestimmten Sexualität, seinen Amüsiervierteln, seinen Wahlmöglichkeiten, seinen Zweifeln, Widersprüchen und Kompromissen, seiner Individualität und seinem Freiheits- und Gleichheitsversprechen. Als »Hauptstadt der Prostitution und des Lasters« hat der »Islamische Staat«, der nichts anderes kennt als Freudlosigkeit, Unterwerfung und Vernichtung, dann auch die französische Kapitale Paris in seinem Statement zu den Terroranschlägen vom 13. November bezeichnet. Seine Selbstmordattentäter schlugen gezielt und koordiniert dort zu, wo man sich in Metropolen am Wochenende vergnügt: bei einem Konzert, in einer Bar, in einem Restaurant, im Fußballstadion. Sie wollten mit Macht den Tod dorthin bringen, wo man sich des Lebens in besonderem Maße erfreut.
Dass sie dabei auch das populäre »Bataclan« im als Anschlagsziel auswählten und dort besonders viele Menschen ermordeten, war alles andere als ein Zufall. Denn das Veranstaltungslokal am Boulevard Voltaire wurde bis vor kurzem von jüdischen Eigentümern geführt. Diese verkauften im September nach 40 Jahren den Club, weil sie – wie so viele französische Juden in diesem Jahr – nach Israel auswanderten. Regelmäßig richtet das »Bataclan« proisraelische Veranstaltungen aus. Seit vielen Jahren befand sich das Etablissement deshalb im Visier »antizionistischer« Gruppen. Es gab bereits mehrere gewalttätige Übergriffe und 2011 auch die sehr konkrete Drohung einer salafistischen Terrorgruppe: »Wir planen einen Anschlag auf das Bataclan, weil die Eigentümer Juden sind.«
»Der Feind wird nur dann zum absoluten Feind, wenn er als Kollaborateur der Juden und ihrer unmittelbaren Verbündeten identifiziert ist«, schreibt Gerhard Scheit in seinem 2004 erschienenen Buch »Suicide Attack« über die Logik der Selbstmordattentate. Die Täter im »Bataclan« haben die Veranstalter, die an jenem Abend spielende, offensiv israelsolidarische Band »Eagles of Death Metal« und die Konzertgäste samt und sonders als solche absoluten Feinde identifiziert und deshalb nicht gezögert, sie zu exekutieren, solange die Munition reichte. Als schließlich die Polizei eintraf, haben sie ihre Sprengstoffgürtel gezündet. Es war dies die »Fortsetzung des Pogroms mit anderen Mitteln« als »Privatisierung staatlicher Vernichtungsaktionen« (Scheit).
Doch in der Berichterstattung wurde weitgehend ausgeblendet, dass es sich bei dem opferreichsten Angriff von Paris um einen antisemitischen Anschlag handelte. Auch bei anderen islamistischen Attacken – beispielsweise nach Nine-Eleven, den Attentaten Ende November 2008 in Mumbai oder dem Angriff auf den koscheren Pariser Supermarkt im Januar dieses Jahres – spielte es in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle, dass die Täter ihre jeweiligen Ziele nicht zuletzt deshalb auswählten, weil sie sie für »jüdisch« hielten. Wenn es zu Terroranschlägen in Israel kommt, wird hierzulande der Judenhass erst recht nicht thematisiert.
In seinem Vortrag wird Alex Feuerherdt analysieren, woher diese Leerstelle kommt und weshalb das Offensichtliche immer wieder konsequent unausgesprochen bleibt oder gar geleugnet wird. Zudem wird er die Bedeutung des Antisemitismus für den Islamismus beleuchten und der Frage nachgehen, warum die Empathie gegenüber den Opfern des Terrors stets geringer ausfällt als die Verständnisinnigkeit gegenüber jenen, die diesen Terror exekutieren.
Die Veranstaltung findet am 17.12.2015 um 19:15h in Hörsaal XII im Hauptgebäude der Universität zu Köln statt.
Eine Veranstaltung des Bündnis gegen Antisemitismus Köln und des AStA der Universität zu Köln