Offener Brief zur Wohnkrise der Studierenden in Köln


Briefdownload inkl. Quellenangaben

Podiumsdiskussion am 26.11.2024

Liebe Frau Reker,

liebe Mitarbeitende der Stadt Köln,

Wir Studierende finden in Köln keine Wohnung. 

Wir, die Vertretungen der Kölner Studierendenschaften, wenden uns mit dieser Nachricht an Sie, die bei Ihnen und Ihrer Verwaltung keine Verwunderung auslösen sollte. 

Köln, unsere Stadt, Standort von 25 Hochschulen, darunter eine der größten Universitäten Deutschlands, ist Heimat von insgesamt knapp 100.000 Studierenden. 

Doch wird sich dies in den kommenden Jahren wahrscheinlich drastisch ändern, wenn die aktuelle Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt in Köln anhält. Auf etwa 80.000 sozialbeitragspflichtige Studierende an Kölner Hochschulen kommen weniger als 5.000 Wohnheimplätze des Studierendenwerks. Die Unterbringungsquote liegt damit unter der von anderen Studierendenstädten wie Bonn, Düsseldorf und Münster und weit unter den vom Land anvisierten 10 %.  

Immer mehr Studierende sind nicht mehr in der Lage, sich eine Wohnung in Köln zu leisten. Der Bafög-Höchstsatz, den nur wenige Studierende erhalten, liegt nunmehr bei 992 €, davon sind 380 € für die Finanzierung der Miete vorgesehen. Ein durchschnittliches WG-Zimmer in Köln kostet über 500 €. Damit gehört Köln zu den teuersten Studierendenstädten Deutschlands. Deutschlandweit geben Studierende etwa 54 % ihres Einkommens nur für Miete aus. Zum Vergleich: die*der durchschnittliche Kölner*in verwendet etwa 30 % des Einkommens für Miete. Das hat zur Folge, dass die Wohnungen und WG-Zimmer, die Studierende sich in dieser Stadt noch leisten können, enorm umkämpft sind. 

Mehrere hundert Personen bewerben sich regelmäßig auf ein WG-Zimmer oder eine Wohnung. Das Angebot kommt der hohen Nachfrage seit Jahren nicht mehr nach, was schließlich in einem feindseligen Umfeld mit hohem Missbrauchspotenzial mündet. Betrugsfälle über mehrere tausend Euro sowie sexuelle Belästigung und Diskriminierung von Frauen sowie von Trans- und nicht-binären Personen bei Wohnungsbesichtigungen sind dabei nur Extrembeispiele, die sich in der Studierendenschaft immer weiter häufen. Die aktuelle Wohnungsnot fördert dieses Potenzial, ohne Aussicht auf Besserung.

Sie selbst sagen, unsere Stadt soll divers bleiben, mit bunten Veedeln und einer durchmischten Gesellschaft. Wie lässt sich das mit dem Fakt vereinbaren, dass Studierende seit Jahren immer weiter an den Stadtrand oder umliegende Gemeinden verdrängt werden? 

Selbstverständlich trifft die Wohnungsnot nicht nur Studierende. Auch andere einkommensschwache Gruppen sind massiv vom Mangel an bezahlbarem Wohnraum betroffen. Auch jungen Familien würde mehr studentischer Wohnraum zugutekommen, da diese weniger mit Studierenden-WGs um Wohnungen konkurrieren müssten.

Da Sie all dies bereits gehört haben, fragen wir uns, warum an dieser dramatischen und vor allem seit Jahren bekannten Situation nichts verändert wird. 

Wir, die Studierenden dieser Stadt, sind in akuter Not und Sie hören uns nicht zu. Seit mehreren Jahren versuchen wir bereits in Kontakt mit der Stadt zu treten, zumeist um eine Lösung für die vielen wohnungslosen Studierenden zu Beginn jedes Semesters zu finden, ohne Erfolg. Sei es die fehlende Zuständigkeit von Abteilungen Ihrer Verwaltung oder die schlicht fehlende Kenntnisnahme unserer Anfragen, bis heute stehen wir hier ohne jegliche Form der Unterstützung. 

Wie wenig sich die Kölner Stadtpolitik für unsere Situation interessiert, zeigt sich darin, wie kaum eine der großen Stadtratsfraktionen in angemessener Zeit auf unsere Anfrage zu einer Podiumsdiskussion reagiert hat. Gerne wollten wir mit Vertreter*innen der Stadtratsfraktionen über die Wohnungsthematik sprechen, aber leider hat innerhalb von mehreren Wochen lediglich eine Abgeordnete eine Zusage erteilt. 

Wir fordern, dass die Stadt und Sie, Frau Reker, die Interessen der Studierendenschaft, die Interessen von etwa 10 % Ihrer Bürger*innen, wahr- und ernst nehmen und dass sich dies auch in Ihrer Politik widerspiegelt. Wir wollen Teilhabe an der Zukunft unserer Stadt. Wir wollen uns gemeinsam mit Ihnen an einen Tisch setzen und nachhaltig eine Lösung für die immer schlimmer werdende Wohnungsmarktsituation finden.


Wir fordern, dass die Stadt als kurzfristige Lösung eine Notschlafstelle für Studierende ohne Wohnung zum Semesterstart einrichtet. Es kann nicht sein, dass Studierende teilweise von der Stadtverwaltung an den AStA der Universität zu Köln und dessen Notschlafstelle verwiesen werden, wenn sie sich in Wohnungsnot befinden. Auch andere Notfalllösungen wie Couchsurfing Angebote des AStAs der DSHS sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist nicht unsere Aufgabe, Ihre Versäumnisse zu ersetzen. 

Wir fordern, dass die repräsentativen Organe der Studierendenschaften einen direkten Kontakt zur Stadt und zuständige Ansprechpartner*innen haben. 

Wir fordern von Ihnen einen Wohnungsgipfel, gemeinsam mit Vertreter*innen aus der städtischen Verwaltung, dem Kölner Studierendenwerk, den Genossenschaften, weiteren Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, dem gemeinwohlorientierten Wohnungsbau und uns, den Studierenden (repräsentiert durch die ASten). 

Auf diesem Wohnungsgipfel soll ein Aktionsplan ausgearbeitet werden, der Zielsetzungen und Maßnahmen für mehr bezahlbaren Wohnraum für alle festlegt. Das Kölner kooperative Baulandmodell bietet hierfür eine gute Basis. Doch sind uns hier keine Grenzen gesetzt. Es darf sich nicht mehr auf bürokratischen Umständen ausgeruht werden. Dank unterschiedlicher Konzepte, wie beispielsweise der Durchmischung und Verdichtung, können neue Formen des Städtebaus und damit auch neue Wohnungsmöglichkeiten auch auf kölschem Gebiet angegangen werden. Wir denken hier nur an das Bauprojekt des Deutzer Hafens.

Wir fordern, dass die Stadt jährlich einen Bericht über den aktuellen Stand Ihrer Arbeit für mehr bezahlbaren Wohnraum vorlegt, in dem auch die ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnungslage aufgeführt und in die Gesamtstrategie eingeordnet werden. 

Selbstverständlich ist die Stadt Köln nicht alleiniger Akteur im Wohnungsbau. Jedoch fordern wir von der Stadt Initiative zu zeigen und eine klare Richtung einzuschlagen, um sich aktiv für die Verwirklichung bezahlbaren Wohnraums einzusetzen.

i.A. der Kölner Studierendenschaften

AStA der Universität zu Köln

AStA der Deutschen Sporthochschule Köln

AStA der Hochschule für Musik und Tanz Köln

Kölner ASten Konferenz 

Unterstützer:innen

Mieterverein Köln 

Kölner Jugendring

DGB Jugend Köln

Falken Köln

fzs – freier zusammenschluss von student:innenschaften

LAT NRW – Landes Asten-Treffen Nordrhein-Westfalen

Podiumsdiskussion am 26.11.2024


AutorIn: Jan Behrendt-Emden

19. November 2024