Offener Brief an das Ministerium für Kultur und Wissenschaft


Angesichts des Koalitionsvertrages in NRW, haben wir uns dazu entschlossen der neuen Ministerin für Wissenschaft und Kultur einen offenen Brief zu schreiben und unsere Bedenken bezüglich Studiengebühren für Nicht-EU Studierende und weiteren geplanten Entwicklungen in der Hochschullandschaft zum Ausdruck zu bringen:
 
Sehr geehrte Frau Isabell Pfeiffer-Poensgen,
 
Erst einmal möchten wir sie zu Ihrem neuen Amt beglückwünschen.
Wir wenden uns an sie, da wir als Studierendenvertreter*innen befürchten, dass sich die (hochschul-) politische Landschaft durch einige im Koalitionsvertrag angedeuteten Pläne negativ entwickeln wird.
Das grundsätzlich begrüßenswerte Credo in Absatz I des Koalitionsvertrages, dass NRW “ein Land, in dem der Aufstieg durch Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf” sein soll, wird durch die geplanten Studiengebühren für Nicht EU Bürger*innen bereits ad absurdum geführt. Damit wird der Fehler begangen, dass Bildung als Ware betrachtet wird, die es zu verkaufen gilt, um die Hochschullandschaft zu finanzieren. Diese Ansicht widerspricht unserer Meinung nach Ideen wie der des lebenslangen Lernens und läuft der Auffassung zuwider, dass die an den Hochschulen “produzierte” Bildung und vor allem die dort durchgeführte Forschung samt ihren Ergebnissen letztlich Allen zugute zur Verfügung stehen kann und soll. Eine Finanzierung des Bildungssystems sollte gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Von guter Bildung und Forschung profitieren Alle.
Zudem halten wir es für falsch, in Zeiten, in denen Anschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten in unerträglichem Maße zugenommen haben und in denen offener Fremdenhass von AfD und Bewegungen wie Pegida, HogeSa und Weiteren propagiert wird, ausgerechnet eine Teilung im Bildungssystem zwischen EU Bürger*innen und Nicht-EU Bürger*innen vorzunehmen. Diese Forderungen umzusetzen ist lediglich Wasser auf die Mühlen, derer, die eine angebliche Überfremdung propagieren und findet Applaus bei jenen, die unerträgliche, geschichtsvergessene Parolen wie “Deutschland den Deutschen” von sich geben und mit Hilfe von Studiengebühren für nicht EU Ausländer*innen Stimmung gegen Ausländer machen. . Das Narrativ von “uns” auf der einen und “denen” auf der anderen Seite wird dadurch gefördert und das Recht auf Bildung zu einem exklusiven Gut verklärt, statt ein globales Miteinander zu denken, zu leben und anzuerkennen, dass sowohl Studierende, die bereits ihr ganzes Leben in der EU verbracht haben, als auch solche, die erst fürs Studium herkommen, hier leben, arbeiten und forschen und damit zum gesellschaftlichen Austausch beitragen.
Auch in der Frage der Internationalisierung der Hochschulen, zu deren Förderung man sich im Koalitionsvertrag bekennt, sind diese Studiengebühren ein erheblicher Rückschlag. Zahlreiche Studiengänge oder ganze Zentren wie z.B. das exzellente Global South Studies Center in Köln sind dadurch gefährdet. In Baden-Württemberg sind bereits in diesem Sommersemester, also ein Semester vor Einführung der Studiengebühren für Ausländer*innen 43% weniger Einschreibungen von Studierenden aus Nicht-EU-Ländern zu verzeichnen. Dieser dramatische Rückgang und die damit verbundene schwindende Vielfalt droht auch Nordrhein-Westfalen im Falle der Einführung von Studiengebühren. Die Studierenden aus den Nicht EU-Ländern, die in Deutschland studieren wollen, werden NRW zunehmend meiden. Diesen enormen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Verlust sollten Sie unter allen Umständen vermeiden und von der Einführung der geplanten Studiengebühren absehen.
 
Bzgl. der Hochschulfinanzierung ist sonst bisher lediglich das Verstetigen der Mittel aus dem Hochschulpakt angekündigt, was bereits seit einiger Zeit vor den Landtagswahlen feststeht. Um die Studien- und Arbeitsbedingungen an Hochschulen signifikant zu verbessern fordern wir hier eine Aufstockung der dauerhaften Mittel für die Hochschulen, die nicht zu Lasten der Studierenden beschafft werden. Wir begrüßen die Initiative, Mittel im Baubereich zur Verfügung zu stellen, sehen dies Koalitionsvertrag allerdings noch unzureichend ausgeführt.
Weitere bedenkliche Formulierungen im Koalitionsvertrag sind die Ansprüche, die an die Hochschulautonomie gestellt werden. Ein Land, welches die Verantwortung der Hochschulen für die Gesellschaft anerkennt, sollte diese in den Rahmenbedingungen nicht von dieser lösen. Die Positionierung der Hochschulen als Kraft für Frieden, Demokratie und Nachhaltigkeit in der Gesellschaft war ein wichtiger Fortschritt im letzten Hochschulgesetz und sollte in Zeiten Trumps, Erdogans und ähnlichen bedenklichen Entwicklungen ausgebaut oder zumindest beibehalten werden. Kompetenzen, die im Rahmen der Hochschulautonomie an die Hochschulen zurück übergeben werden, sollten unter allen Umständen vom Senat oder anderen demokratisch legitimierten Gremien wahrgenommen werden. Das undemokratische Gremium des Hochschulrates, zu dem sich erfreulicherweise im Koalitionsvertrag kein Bekenntnis findet, sollte abgeschafft werden und sämtliche seiner Kompetenzen an den Senat überführt werden. Dies wäre ein wichtiger Schritt zur angestrebten Demokratisierung.
Zudem sollten die Demokratisierungsmöglichkeiten der Hochschulgremien bis hin zur Viertelparität weiter ausgebaut werden und als klarer Anspruch Ihres Ministeriums formuliert werden. Darin würde eine deutlich wirksamere Stärkung des demokratischen Prozesses liegen als in der Onlinewählbarkeit der einzelnen Gremien.
Ein neues Hochschulgesetz, welches im Koalitionsvertrag angekündigt wird, sollte gesamtgesellschaftlich diskutiert und abgewogen werden. Die Freiheit von Forschung und Wissenschaft zu stärken wird auch von uns als wichtige Aufgabe gesehen, gerade in Zeiten in denen der postfaktische Diskurs überhandnimmt.
Dennoch sollten Hochschulen demokratisch strukturiert und sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein. Daher fordern wir Sie auf, hier nicht dieselben Fehler zu begehen, die bereits im Hochschulfreiheitsgesetz von 2006 begangen wurden. Gebührenerhebung auf Bildung sind ein gesellschaftlicher Rückschritt und sorgen in der geplanten Form vor Allem für die Stärkung von ausländerfeindlichen Positionen und den Rückgang der internationalen Vernetzung in der Wissenschaft. Wir fordern sie daher auf die nordrhein-westfälische Hochschullandschaft nicht um 10 Jahre zurückzuwerfen, sondern zu stärken für die wissenschaftlichen, strukturellen und gesellschaftlichen Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts.
Gerne stehen wir auch für ein persönliches Gespräch bereit.
 
Mit freundlichen Grüßen
AStA der Universität zu Köln
 
 

AutorIn: Dario Georg

4. Juli 2017