– Einleitender Vortrag von Christoph Hesse
– Vorführung des Films „Pourquoi Israël“
– Abschlussidkussion
Der Titel „Pourquoi Israel“ (Warum Israel) stellt keine Frage. Der Film, der diesen provozierend mißverständlichen, eher von großem Staunen geprägten Titel trägt, stellt viele ganz unterschiedliche und sich mitunter widersprechende Aussagen dar, die genauer als „C’est pourquoi Israel“ (Darum Israel) zu verstehen wären. Die Fragen, die sich den gesamten Film hindurch unausdrücklich stellen, und zwar auch noch in den Antworten, die er gibt, lauten: was ist ein Jude, was ein jüdischer Staat? Wie ist ein normales Leben möglich in einem Land, das unter den denkbar unnormalsten Bedingungen entstanden ist und dem Normalität von seiten der anderen Länder in der Welt am allerwenigsten zuerkannt wird?
Mit dem Film „Pourquoi Israel“ bringt Claude Lanzmann 1973 ein Vorhaben zu Ende, das er mit seiner ersten Reise nach Israel mehr als zwanzig Jahre zuvor begonnen hat. Der Publizist, dem es nie gelingen wollte, darüber zu schreiben, findet im Film schließlich ein Medium, das ihm bis dahin so fremd war wie das Land, das er darzustellen versucht, und dem er seinerseits mit diesem ersten Versuch neue Möglichkeiten der Darstellung eröffnet. Und das Ende dieses Buches, das keines wurde, sollte erst ein Anfang sein.
Christoph Hesse hat Film- und Fernsehwissenschaft, Germanistik und Philosophie studiert. Er ist Mitarbeiter des Bereichs Kommunikationsgeschichte/Medienkulturen am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin und arbeitet dort an einem Forschungsprojekt zum Filmexil Moskau der 1930er und 40er Jahre. Buchveröffentlichungen: Filmform und Fetisch, Bielefeld 2006; Exil in der Sowjetunion 1933–1945, Marburg 2010 (hg. mit Hermann Haarmann); Briefe an Bertolt Brecht im Exil, 3 Bände, Berlin 2014 (hg. mit Hermann Haarmann, erscheint in Kürze).
Pourquoi Israël (Warum Israel)
Das Filmdebüt des engagierten Publizisten und Sartre-Weggefährten Claude Lanzmann (SHOAH) ist fraglos eines der bemerkenswertesten Zeitdokumente über den Staat Israel und sein Selbstverständnis, seine religiösen und politischen Fundamente und vor allem: seine Bürger. Sie sind es, die im Film zu Wort kommen – Angehörige der ersten Siedlergeneration, Neueinwanderer aus der Sowjetunion, Arbeiter, Intellektuelle, junge Israelis. Ohne belehrenden Kommentar, ohne jede propagandistische Geste, dafür mit großer persönlicher Anteilnahme und viel Humor, spürt Lanzmann den Errungenschaften und Widersprüchen einer entstehenden israelischen Nation nach. So ergibt sich ein lebendiges Panorama der einzigartigen Vielfalt dieses Landes, seiner Paradoxien, Spannungen – und seiner schwierigen »Normalität«:
»Dieser Film hat einen roten Faden, nämlich: Was ist das: Normalität? Was ist das: Ein Land, in dem jeder Jude ist? Das ist das Entscheidende vom Standpunkt eines Juden aus der Diaspora – und das waren sie ja letztlich alle. Der ganze Film spielt damit, mit der Normalität und der A-Normalität. Ich zeige in WARUM ISRAEL, dass die Normalität das eigentlich Anormale ist.« Claude Lanzmann
Claude Lanzmann
1925 in Paris geboren, schloss sich 1943 als Gymnasiast in Clermont-Ferrand der Résistance an und kämpfte im Untergrund. 1947 Doktor der Philosophie, 1948/49 Dozentur an der FU Berlin. Seit 1952 und seiner Begegnung mit Jean-Paul Satre und Simone de Beauvoir ständiger Mitarbeiter, heute Herausgeber der legendären politisch-literarischen Zeitschrift Le Temps Modernes. Ab 1970 erste Filmarbeiten. Sommer 1973 Beginn der Arbeit an SHOAH, den er 1985 – also fast 12 Jahre später – fertig stellt: Filmisch und historisch ein Großereignis, das weltweit Aufsehen erregt und große Anerkennung findet.
Zahlreiche Ehrungen: Lanzmann erhielt u.a. die Médaille de la Résitance, ist Kommandeur des Ordre National du Mérite, Kommandeur der Légion d’Honneur (Ehrenlegion) – die ranghöchste Auszeichnung in Frankreich für militärische und zivile Verdienste. Ehrendoktorate (Philosophie) der Hebräischen Universität Jerusalem, der Universität von Amsterdam, der Adelphi University, New York, und der European Graduate School in Saas-Fee, Schweiz. Seit 1998 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin, Sektion Film- und Medienkunst.
Samstag, den 8.2.2014 in Hörsaal XVIII (Hauptgebäude) Albertus-Magnus-Platz, Köln